Aufklärungspflicht des Anlageberaters: Bestätigung des Anlegers, Risiken im Prospekt zur Kenntnis genommen zu haben, ist AGB-rechtlich unwirksam

Der III. Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10.01.2019 – III ZR 109/17 die Pflichten des Anlageberaters konkretisiert, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an pauschale Verweise auf den Inhalt von Emissionsprospekten.

Der Fall:

Der Kläger war geschlossenen Schiffs- und Solar-Fonds beigetreten, und zwar durch Erwerb einer treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligung. Die Übergabe des Prospekts durch einen Handelsvertreter der Fonds erfolgte am 12.03.2010, die Zeichnung der Beitrittserklärung am 16.03.2010. Die Beitrittserklärung des Klägers beinhaltete die formularmäßige Erklärung, dass der Kläger den Beteiligungsprospekt erhalten habe, und dessen Inhalt – insbesondere des Kapitals betreffend die Risiken der Beteiligung – zur Kenntnis genommen habe.

Der Kläger forderte Rückabwicklung der Beteiligung, da er nicht über Risiken aufgeklärt worden sei, insbesondere weil er den Prospekt nicht rechtzeitig vor Zeichnung erhalten habe.

Die Entscheidung:

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH schuldet der Anlageberater eine anleger- und objektgerechte Beratung unter Berücksichtigung des Wissensstands des Kunden und seiner persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Er muss den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben könnten. Verletzt der Anlageberater seine Pflichten, schuldet er Schadensersatz; handelt er als Erfüllungsgehilfe des Emittenten, so kann der Anleger von letzterem Rückabwicklung verlangen.

Die ordnungsgemäße Anlageberatung kann auch durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt dem Interessenten so rechtzeitig vor Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. Soweit der Anlageberater davon ausgehen darf, dass der Interessent die im Prospekt dargestellten Risiken gelesen und verstanden hat, entfällt diesbezüglich seine Aufklärungspflicht. Nimmt der Interessent Informationen im Prospekt nicht zur Kenntnis, geht dies zu seinen Lasten.

Vorliegend hatte sich der Anlageberater und der Emittent darauf berufen, dass der Anleger erklärt habe, den Inhalt des Prospekts einschließlich der Risikohinweise zur Kenntnis genommen zu haben.

Der BGH hat entschieden, dass diese Erklärung unwirksam sei. Es handele sich um allgemeine Geschäftsbedingungen; gemäß § 309 Nr. 12 lit. b) BGB ist in diesen eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, indem er diesen bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. Auch wenn im vorliegenden Fall der Anleger dafür beweispflichtig ist, dass er die Inhalte des Prospekts nicht habe zur Kenntnis nehmen können (und somit eigentlich kein Fall der Umkehr der Beweislast vorliegt), finde die Regelung Anwendung; denn § 309 Nr. 12 lit. b) BGB erfasse jeden Versuch, die Beweisposition des Vertragspartners zu verschlechtern.

Dies sei vorliegend der Fall, da die Beweisführung des Anlegers darüber, nicht über die Risiken aufgeklärt worden zu sein, erschwert werde. Auch könne es dem Anleger erschwert werden, die (grundsätzlich vermutete) Kausalität zwischen fehlender Aufklärung und Anlageentscheidung zu darzulegen.

Daher muss nun das zuständige Landgericht prüfen, ob der Anleger im konkreten Einzelfall genügend Gelegenheit hatte, die Inhalte des Prospekts zur Kenntnis zu nehmen.

Fazit:

Das Urteil des BGH zeigt erneut, wie wichtig es für Emittenten ist, das Handeln ihres Vertriebs sorgfältig zu beaufsichtigen. Eine Reduzierung von Haftungsrisiken kann durch eine Weisung an den Vertrieb möglich sein, dem Anleger eine Zeichnung erst eine bestimmte Zeit nach Übergabe des Prospekts zu ermöglichen.

Wenn durch den Anleger allein die Übergabe des Prospekts bestätigt werden soll, ist § 309 Nr. 12 2. Halbsatz, Nr. 11 lit. a) BGB zu berücksichtigen. Danach sind ist ein solches Empfangsbekenntnis getrennt vom sonstigen Vertragstext zu erteilen, mithin räumlich und drucktechnisch deutlich hervorzuheben.

Autor

Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Kapitalmarktrecht, Finanzaufsichtsrecht & Gesellschaftsrecht