In eigener Sache: Ravensburger verteidigt sich gegen weltweite Inanspruchnahme aus italienischem Kulturgüterrecht

Die Ravensburger AG vertreibt über ihre deutsche Ravensburger Verlag GmbH sowie die italienische Ravensburger S.r.l. ein Puzzle mit dem vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci (1452 – 1519)

Mit vorgerichtlicher Abmahnung wandte sich die Gallerie dell’Accademia di Venezia an die Ravensburger AG und knüpfte die weitere Nutzung des Werkes „Vitruvianischer Mensch“ an den Abschluss eines Lizenzvertrages. Die Gallerie dell’Accademia di Venezia ist ein Museum, dessen Sammlung unter anderem Werke von Bellini, Tizian und Leonardo da Vinci, einschließlich dessen wohl berühmtestes Werk „homo vitruvianus“, umfasst. Das Museum verwies dabei auf die Bestimmungen der Artikel 107-109 des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes“), konkret auf den Unterlassungsanspruch aus Art. 107 sowie 108. Nach diesen Vorschriften steht jede kommerzielle Nutzung von Objekten, die als italienisches Kulturgut eingestuft werden, unter dem Vorbehalt einer Zustimmung der jeweiligen Museen sowie der Zahlung einer Nutzungsgebühr. Auch kann die Zustimmung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden, etwa die Art und Weise der kommerziellen Verwertung des Kulturgutes. Trotz erheblichen rechtlichen Bedenken der Ravensburger Gruppe an der Konformität des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio mit den Vorgaben der DSM-Richtlinie (EU) 2019/790 sowie der Richtlinie 2006/116/EG war die Ravensburger Gruppe bereit, eine solche Lizenzgebühr zu zahlen – allerdings allein für Nutzungen des Kulturgutes im Gebiet des Staates Italien.


Sowohl die Gallerie dell’Accademia di Venezia als auch italienische Kulturministerium (Ministero della Cultura, MiC) insistierten auf eine weltweite Geltung des italienischen Kulturgüterschutzrechts und eines daraus folgenden weltweiten Unterlassungs- und damit Lizenzanspruchs für die kommerzielle Nutzung des Werkes „Vitruvianischer Mensch“ von Leonardo da Vinci. Sie wandten sich mit Verfügungsantrag an das Zivilgericht Venedig und beantragten im Wege einer Eilentscheidung u.a. der Ravensburger AG, der Ravensburger Verlag GmbH sowie der italienischen Ravensburger S.r.l. die kommerzielle Nutzung des Bildes des Werkes „Vitruvianischer Mensch“ in jeglicher Art und Weise auf ihren Produkten, auf ihren Webseiten und in sozialen Plattformen, in Italien und im Ausland zu untersagen. In der Berufungsinstanz gab das venezianische Gericht dem Antrag mit der Begründung eines „universellen Ansatzes“ des italienischen Kulturgüterschutzgesetzes statt.


Die Ravensburger AG, die Ravensburger Verlag GmbH sowie die Ravensburger S.r.l. erhoben sodann Hauptsacheklage vor dem Landgericht Stuttgart und begehrten die Feststellung, dass die Gallerie dell’Accademia di Venezia sowie das italienische Kulturministerium keinen Anspruch darauf haben, dass es die Klägerin unterlassen, außerhalb Italiens Vervielfältigungsstücke von Leonardo da Vincis Proportionsstudie „Studio di proporzioni del corpo umano“, bekannt als der „Vitruvianische Mensch“ und den Namen „Vitruvianischer Mensch“ für kommerzielle Zwecke ganz oder in Teilen zu nutzen – und zwar in analoger und digitaler Form, auf ihren Produkten, auf ihren Websites und in sozialen Medien.


Die Kammer gab der Klage mit Urteil vom 14. März 2024 (17 O 247/22) vollumfänglich statt und erteilte dem durch das venezianische Gericht im Verfügungsverfahren vertretenen „universellen Ansatz“ des italienischen Kulturgüterschutzrechts eine deutliche Absage. Das Gericht stellte klar, dass ein italienisches Gesetz nur in dem Staatsgebiet Italiens Gültigkeit besitzt und dem Staat Italien für eine Geltung außerhalb seines Staatsgebietes die Regelungsbefugnis fehlt. Da italienische Museen in jüngster Zeit zunehmend Ansprüche aus dem italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio – etwa gegen Modehäuser aufgrund einer Vervielfältigung von Kunstwerken auf T-Shirts oder gegen Zeitschriftenverlage aufgrund einer Abbildung von Kunstwerken auf dem Cover – mit vermeintlich weltweitem Geltungsanspruch durchsetzen, markiert das Urteil eine bedeutsame Haltelinie.

Autor

Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzFachanwalt für Urheber- und Medienrecht